WdkK'21 - Der Donnerstag:

Hochverhextes Publikum. Betörende Folk-Queen. Pulsierender Cuba Cocktail.

Auch am dritten Tag der Kleinod-Künste blieben die Tische am Ende trocken und gut gefüllt. Güterslohs musikverliebtes Auditorium nahm die Einladung an, den Melodie-getränkten Stories einer jungen italienischen Berlinerin gechillt und gefangen zu lauschen. Um anschließend bei den Rhythmen der kubanischen Caballeros erotische Bewegungen in einer Eleganz zu zeigen, die man außerhalb der weiteren Karibik schon gar nicht im Westfälischen verortet hätte. Dem Chronisten wurde von sieben Bandscheibenvorfällen berichtet, die im Laufe des Abends komplett verschwanden.

Copyright MPRESS Peter Heermann

Violetta Zironi

Bereits beim Soundcheck ließ ihre Stimme aufhorchen – in ihrer lakonischen Klarheit, in der sich Konzentration und Verträumtheit nicht widersprechen. Dazu elegant angedeutete Bewegungen, durch welche die 26-Jährige auch für siebzehn gehalten werden könnte. Die zierliche Zauberin aus Corregio, inzwischen am Prenzlauer Berg zu Hause, bot im Trio mit Igor Spalatti aus Umbrien am Kontrabass und ihrem aus San Francisco stammenden Singer/Songwriting-Partner Ed Prosek an diversen Gitarren packend-bewegende Lyrik. Im verhaltenen 6/8-Takt begann Violetta Zironi mit „Cigarettes“, gefolgt von einer flotten italienischen Weise, mit ihrem Dad verfasst. „Oasis“ ließ aufhorchen, ein Paar trifft sich heimlich: „Be my oasis, and I’ll be yours tonight“ konnte das Publikum dank Zironis klarer Diktion mitverfolgen: „a few nights in Paris, and it’s back to our lives…“.

 

Sicher, Violettas Vokalsound garantierte eingebettet in Saitenklänge auch ohne Worte eine magische Stunde; der Inhalt ihrer Geschichten war aber stets die Konzentration wert. Mit „Little Wound“ begannen Zironi und Prosek einst ihre kreative Coop. Zweistimmig erinnerten die beiden an Norah Jones und Billie Joe Armstrongs Everly-Brothers-Remakes. Die kleine Wunde war der Auftakt von mehr als einem halben Dutzend Walzern: wie einst John Lennon liebt die X-Factor- und US-Tourneen-gestählte Sängerin den 3/4-Takt. Der Lockdown konnte ihren kreativen Output erhöhen, plauderte sie, ließ sie bald „I’ve been called bad news from Rome“ singen – für die Menge auf dem Platz blieb sie „good news“! Ihr Ex-Boyfriend habe ein komplettes Album über sie verfasst, gestand sie uns. „Also schrieb ich zurück“: „I love myself so much more when you’re not around“. Versöhnlich, wenn sie danach zur Ukulele „Birds Of A Feather“ ihrem neuen Gefährten widmete oder sich schließlich mit „Sex on the beach, champagne after midnight“ der puren Lebenslust zuwandte.

 

Mehrere Lauschende zogen den Vergleich: Die zierliche Zironi bewies Katie-Melua-Qualität – verblüffend ähnliche Stimme, aber ganz eigene Phrasierung. Dazu eine Sammlung origineller Songs. Die schienen noch lange auf der Wiese nachzuhallen.

 

 

Mayito Rivera feat. Conexion Cubana

Wohltemperiert Chopin-eske Klavierklänge. Plötzlich ließen kubanische Kuhglocken, Timbales als beißendes Trommel-Tandem und Conga-Drums das letzte Gemurmel auf dem Platz verstummen. In Sekunden legte sich die Hitze Havanas auf den Dreiecksplatz! Nach und nach stiegen weitere fünf Musiker in den heißen Salsa-Rhythmus ein: dreisaitige (!) Gitarre, E-Kontrabass, Trompete gepaart mit geriffeltem Bambus-Guiro, Posaune gekoppelt mit Maracas. Mit derartigen Rasseln zauberte auch der mit viel Beinarbeit aufschlagende Meister Mayito selbst: El Pueta de la Rumba! „Buenas Noches“, gab er gleich zwei Mal in die Menge – Gütersloh hatte verstanden und rief begeistert zurück.

 

„Call and Response“ charakterisierte auch die zweite Darbietung: Bläser, Gitarre und Timbales fanden stets Lücken, Rivera beseelt singend zu antworten und dabei auch noch dessen Tanzschritte in lässiger Formation zu parieren. „Rio Seco“ vom Album ALMA DE SONERO bot einen Gitarren-Showcase und führte nach Son-Cubana-Rhythmus die Rumba ein. Und weiter: Hörner-Breitseiten, wenn man überhaupt nicht mit ihnen rechnete, die Herren zeigten sich hörbar-sichtbar bis auf’s letzte I-Tüpfelchen eingespielt! Ihre Trommel-Akzente erwischten uns wie Peitschenhiebe – und beim so subtil wie manisch-dirigierenden Mayito merkte man tatsächlich jene zwanzig Jahre Erfahrung mit seiner Ex-Band Los Van Van. Die Conexion Cubana vermochte jedenfalls hier aufgeräumt mehr als mitzuhalten.

 

Schon bald spürte Rivera das Zucken der Zuhörenden: „Bailar! Es posible?“ Es posible!! Bald ist der Bühnenrand voller Paare, jeweils aus einem Haushalt natürlich. Auf der Königstraße lief derweil ein locker-elegantes Latino-Line-Dancing – mit vorgeschriebenem Abstand, wie sonst? Angeregt durch lässige Formationstänze von Mayito & Mannen oben. Als wären die nicht längst reichlich mit Musizieren vollbeschäftigt. Herr Rivera lobte ausdrücklich die „Cultura“, blieb in unbändiger Daseinsfreude in seinem rasend-rhythmischen Element. Bald folgte der Cha-Cha: „Verena Tropical“, und nach „Mambo Burrito“ – „Atentión“ für das abenteuerlich-synkopische Conga-Solo. Schließlich zog Rivera einen jungen muskulösen Bruder auf die Bretter – und die beiden zelebrierten zwinkernd im Fußumdrehen ihre humorvoll-akrobatische Choreo, als kennten sie sich Jahrzehnte lang und nicht erst seit Sekunden. Kurz: Die Zeit stand still. Die Conexion Cubana zauberte. Gütersloh wirbelte. Solche Compañeros machen glücklich…

Uli Twelker für die Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz