Das ging ja gut los!
Schweißtreibend, ehrlich, frisch und am Ende ganz schön bettfertig. Schon der Start der Woche lief zur Höchstform auf. Hier ein Trio, das die deutsch-türkische Freundschaft abfeierte, da eine kölsche Rockröhre im Pyjama, die ganz schön was zu sagen hatte. Was beide Bands nacheinander unters Volk brachten, war spannungsgeladene Musik, getrieben von großer Neugierde und mit klaren – ach was! – scharfen Kanten. Kurz: Auf den Platz kam am Montag genau das, was die tatsächliche Indie-Szene derzeit so grandios macht.
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Türkisch-deutsche Brücken
„Mesafeler”, zu Deutsch „Distanzen“, heißt das aktuelle Album von Engin – dem Opener der Woche der kleinen Künste. Dieser Mannheimer Band also, die das türkisch-deutsche Lebensgefühl zu sezieren weiß wie keine andere. Sie zeigt aber auch, dass Distanzen wie geschaffen für Brücken sind. Und so war an diesem Abend keine Kluft zu spüren und schon gar keine Dissonanz zu hören, sondern pure Harmonie, die direkt in die Tanzbeine ging. Ein rauschendes Fest des Miteinanders war es, was wir vom ersten Ton an auf unserem Lieblingsplatz mitten in der Stadt erlebten. Der erfrischend ehrliche Indie-Sound der drei Musiker um den deutsch-türkischen Sänger Engin Devekiran gab den Ton vor. Er war zum Tanzen gemacht.
Roh, hypnotisch und hundsgemein ehrlich führte ihre Musik durch teils deutsche, teils türkische Texte voller Schönheit und Schmutz, Verrücktheit und Vernunft, Einsamkeit und Euphorie. Ja, ok: Sie legen den Finger in die Wunde – doch mit der Aussicht auf eine heilende Kraft. Wie sonst könnte man sich erklären, dass die Musik von Engin so energetisch ist? Von der ersten bis zur letzten Sekunde ihres Auftritts haben wir sie geliebt – auf und vor der Tanzfläche. Und ich bin mir sicher: Engin war der beste Starter in die Woche, den man sich vorstellen kann.
„Leck mich am Arsch, Amore mio!“
Und noch eine Band, bei der man ganz genau hinhören musste.
NDW? Kölsch? Indie? Schnulzig? Ne, so
einfach macht es einem dieses Trio nicht. Fortuna Ehrenfeld gilt längst als der Star am Indie-Himmel. Der eigentlichen Szene, wenn man so will. Diejenige, die immer irgendwie weit weg vom
Mainstream sein will und trotzdem längst massentauglich geworden ist. Dass das mit den Gegensätzen bei dieser Formation tatsächlich gut funktionieren kann, ist nicht zuletzt der subtilen Poesie
von Bandleader Martin Bechler zu verdanken, mit der er ein ganz eigenes Genre geschaffen hat.
Die Song-Titel versprechen Härte und kommen im Laufe der Akkorde mit einer
unverblümten Weichheit daher. Oder mit einer eiskalt vorgetragenen klaren Kante, die dem rechten Rand und all den anderen Ärschen da draußen äußerst direkt den Mittelfinger zeigt. Mal ist es eine
Strophe, die absurd klingt oder ein selbstironischer Bruch, die
gemeinsam mit dem dröhnen Bass und Soundeffekten ein kongeniales Ganzes bilden. Damit ist Fortuna Ehrenfeld ein seltsam geschnürtes Gesamtpaket aus tiefgründigem bis dadaeskem Sprechgesang, Balladen und allem, was sonst noch so rumliegt, in
der schnodderig-rockigen Indie-Welt. Stets unterfüttert mit butterweichen Drums hier, Techno und spacigen Soundeffekten da, hartnäckigen elektronischen Beats und satten Riffs sowieso.
Nein, es wundert gar nicht, wenn ein Song wie „Wir propagieren den Exzess“ das Publikum an beste NDW-Zeiten erinnert und „Leck mich am Arsch, Amore Mio“ schnell noch eine Schippe drauflegt. Wenn ein anderes Stück wie eine Hommage an Niedecken und BAP klingen mag oder wie Element of Crime. Und es wundert eben auch nicht, wenn der Sänger solche Vergleiche gleich wieder vom Tisch wischt.
Ach ja, und dann sind da noch die Pyjamas und Konfettikanonen, die auch auf „unsrer Bühne“ nicht fehlen durften. Die Band, die die Show liebt, setzte am Ende alles auf eine Karte: Kitschig oder progressiv? Party oder Depression? Sinnlos oder tiefschürfend und sprachverliebt? So oder so. Fortuna Ehrenfeld beherrschen die Klaviatur des großen Auftritts – live, knallig und bunt. Und damit haben sie vollkommen recht.
Birgit Compin, Buchautorin und Journalistin für die Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz