WdkK'24 - Der Mittwoch:

Krasse Kontraste – Fusion-Füchse & Soul Sister(s)

 

Doch. Man kann dem 3-Eck Kontraste zumuten! Wenn wir GT-Volk auf den Bänken mal nicht bei schwingendem „Sitztanzen“ erwischen (O-Ton Ricky Cool)? Ob wohl schlicht zugehört wird? Bot sich Mittwochabend an – so viel Komplexität, Eleganz, Sophistication war selten: Der junge Moses Yoofee steht in der WdKK-Tradition genialer Pianisten wie Martin Tingvall, während die Gospel-Funk-bewanderte Manchester-Majorette Mica Millar sich einreiht in unsere Soul-Diamanten-Perlenkette mit Madeline Bell oder Hannah Williams. Doppel-Glücksfall, dass Yoofee Trio und Millar Band überhaupt einfliegen konnten. Yoofee zwischen zwei Peter-Fox-Gigs, Millar direkt aus Manchester.

 

Copyright MPRESS Peter Heermann

Die Fusion-Füchse im MOSES YOOFEE TRIO: Enthemmte Hochbegabte

 

Klangflächen vibrieren wie Drohnen. Starterlaubnis: Hypnotisierender Basslauf, filigran-freche Rhythmik-Akzente. Moses Yoofee selbst legt Harmonien, lässt gleichzeitig mit seiner raffinierten Rechten perlende Pianoläufe vom Stapel. Als ob zumindest Thelonious Monk, Herbie Hancock & Keith Jarrett mal gerade in Minuten abgefrühstückt werden sollten, um Platz zu machen für den wahren Moses. Der seinem Vornamen getreu mit elf das Berliner Musikgymnasium Carl-Philipp Emanuel Bach besuchte – morgens um sechs aus dem Haus, 16 Stunden unterwegs. Dezidiert in seinem Element.

 

Schließen wir die Augen, so scheint das Trio zu fünft zu musizieren. Ohne seine Klaviertasten zu vernachlässigen, entlockt der Peter-Fox-Flüsterer Yoofee seinem „Nord Stage 2“ Keyboard Herz-erwärmende Elektro-Melodien, die den Chronisten wohlig an Chris-Rea-Sidekick Max Middleton erinnern. Parallel suchen wir beim ebenso vierhändigen, im Alter von zwei Jahren gestarteten Drummer Noah Fürbringer vergeblich ruhige Muster. Als ob der sich an den Rat des Südstaatlers (und Volker-Wilmking-Idols) Mose Allison hielte: An den Drums all das wegzulassen, was sich melodiebereinigt nach Baustelle anhört – also den Backbeat! Auch Noah „frühstückt ab“: Steve Gadd, Billy Cobham: „Wir sind alle Hybride unserer Vorbilder!“ Kombiniert aber Handwerk und Geistesgegenwart zu kongenialem Takt-Dschungel. Tasten und Trommeln bleiben stets genial geerdet vom pulsierenden Fünf-Saiter des Roman Klobe.

 

Überschreitet das Moses Yoofee Trio auf dem 3-Eck Genregrenzen? Die leben und spielen einfach – in der Gegenwart und mit der Historie. Lyrische Passagen. Furioser Funk! Perfekte Thriller-Musik? Mitnichten: entweder ginge der Film verloren oder diese überbordenden Soundcollagen. Folgen wir gebannt, dann folgen wir dem Tasten-Abenteurer, ohne bei schnellen Cuts und Rhythmus-Wechseln sein stützendes Tandem zu verlieren? Widmen wir uns mal nur den Drums samt Ringelnatter-Becken? Da lockt wieder eine laszive Melodie, Tasten-Trip, ein Bass-Solo! Weiß das Trio um seine Magie? Sie brennen für uns, wir glühen für sie.

 

 

 

Verzaubernde Harmonien – Soul Sisters MICA MILLAR & Amber Kuti

 

Nach kurzem Sound-Ausfall: Mica Millar schreitet erneut elegant auf die Bühne. Allein, dass sie das kann, flüstert ihr nach einem Trampolin-Unfall vor Jahren bei jeder Performance ein „I say a little prayer“ – als Mantra ihres Jugend-Vorbilds Aretha Franklin. Jede Bewegung atmet Rhythmus – sie ist wie Yoofees Noah Fürbringer Drummer-Kind. Wir sehen und spüren es.

 

Wer Mica Millars vokalen Goldstaub im “Girl“-Intro einmal vernommen hat, bleibt Schock-verliebt; “Preacher Man“ liefert dem zum Bersten gefüllten Platz dann foot-stomping: ihre Eindringlichkeit, unser Puls. Bei aller Frische in Millars Songs und Darbietungen entzückt die federleichte Zugänglichkeit ihrer Arrangements, ohne dass unnötig Klischees verballert werden. Ihre Band ist kein „Backing“ – alle fliegen in diesem Soft-Funk-Soul-Geschwader auf luftiger Augenhöhe.

 

Wichtiges Detail im Millar-Mosaik bilden zweistimmige Harmonien mit Vokalistin Amber Kuti sowie Call-and-Response mit Kuti und dem singenden Pianisten Ben Smith. Was uns zucken lässt, ist der präzise Engine Room mit Contrabass Chris Rabbitts und Drummer Joe Luckin. Bei “Flashlights“ gehört die Millar zu „wise guys“, die unsere „wild side“ will. “No Money Nor Faith (Freedom)“ gerät zur hymnischen Feldmesse. Doch zum Soul gehört neben „Glauben und Selbstzweifel“ auch Liebeskummer: Im treibenden “Trouble“ singt die gewiefte Songautorin „go all the way down to Broken-Hearted Lane“ – ihre Adresse als Symbol für lost love.

 

Aus jeder Nummer schält sich die Überzeugung: Mica Millar führt ihr Soul-Rad aus den schwitzigen Clubs und Las Vegas zurück zu gospelhafter Klarheit. Stattet es stimmlich mit einer Tiefe, rhythmisch mit einer Groove-Bereifung aus, die ihresgleichen sucht. Vieles zelebriert im 6/8-Bluestakt. Zum Finale ein Evergreen: Curtis Mayfields “People Get Ready“ verzaubert uns endgültig, ehe die Triolen in der Zugabe “Heaven“ auch die Letzten in den siebten Himmel führen.

 

Da heißt es bei der Entwicklung von Künstlern oft „raus aus der Komfort-Zone“. Auf dem 3-Ecksplatz können Konvertierte für diese Formation zum Glück konstatieren: Mica Millars Gig bildet eine einzige Komfortzone - von Frank Stiller erneut fantasievoll illuminiert! 

Uli Twelker für die Kulturgemeinschaft Dreiecksplatz e.V.